Neubewertung von Bewilligungen nach UZK und steuerliche Zuverlässigkeit
Mit Spannung erwarten Verbände, Wirtschaftsbeteiligte und Zollverwaltung eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zur Neubewertung zollrechtlicher Bewilligungen. Von der Entscheidung erhoffen sie sich Klarheit über die Zulässigkeit der massenhaften Abfrage der Steuer-IDs von Mitarbeitern von Unternehmen. Mit Beschluss vom 9. August 2017 hat das Finanzgericht die Frage dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vorgelegt. Er hat über die beiden Kernfragen des Streits zu entscheiden: Darf die private Steuer-ID betroffener natürlicher Personen für die Entscheidung über die unternehmensbezogene Bewilligung abgefragt werden? Und: Ist der weit gefasste Personenkreis, deren Daten abgefragt werden sollen, erforderlich?
Abfrage bleibt derzeit ausgesetzt
Aufgrund des Vorlagebeschlusses hat die Finanzverwaltung die Abfrage derzeit ausgesetzt – allerdings wird nunmehr die Einholung einer sog. Bescheinigung in Steuersachen (früher: steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung) von dem Personenkreis eingefordert. Auch damit schießt die Finanzverwaltung über das Ziel hinaus. Doch bis zur Entscheidung des EuGHs wird es noch ca. 15 bis 20 Monate dauern – währenddessen herrscht weiterhin Rechtsunsicherheit.
Das nationale Steuerrecht wird bisher nicht berücksichtigt
Neben der Frage der Zulässigkeit der strittigen Abfrage der Steuer-ID gemäß UZK hat das Finanzgericht die Frage, ob das Vorgehen auch mit dem nationalen Steuerrecht vereinbar ist, zunächst zurückgestellt. Die Abfrage der Steuer-ID muss jedoch auch am Maßstab der Abgabenordnung bewertet werden: Lässt es das Steuerrecht überhaupt zu, dass die Steuer-ID für die zollrechtliche Neubewertung von Bewilligungen genutzt wird? Laut Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zielt die Steuer-ID auf das persönliche Steuerverhältnis des Bürgers zum Staat – sie darf daher für unternehmensbezogene Zwecke nicht verwendet werden.
Bereits die Abfrage der Steuer-ID kann Rechtsverstoß darstellen
EU-weit nimmt allein die deutsche Zollverwaltung eine derart weite Auslegung der im UZK verlangten Prüfungspflicht vor, was die Unklarheit über die Zulässigkeit des Vorgehens verstärkt. Darüber hinaus folgt aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, dass bereits die Abfrage der Steuer-ID einen Rechtsverstoß darstellt. Die häufig anzutreffende Aussage, wonach die Steuerdaten von natürlichen Personen nur erhoben werden, wenn das Finanzamt einen steuerlichen Verstoß bestätigt, ist irreführend: Es handelt sich bei der Steuer-ID selbst bereits um geschützte und datenschutzrechtlich relevante Daten. Der Bundesfinanzhof spricht in einem Urteil (II R 49/10) von möglichen Einschüchterungseffekten und Beeinträchtigungen bei der Ausübung der Grundrechte, wenn Informationserhebungen anlasslos erfolgen.
Fokus der Zuverlässigkeitsprüfung sollte auf den Unternehmen liegen
Der UZK stellt bei der Zuverlässigkeitsprüfung, die dem Zoll einzugestehen ist, auf die Zuverlässigkeit des Antragstellers – also des Wirtschaftsbeteiligten bzw. Bewilligungsinhabers – ab, und nicht auf die der Mitarbeiter. Die Zuverlässigkeitsprüfung sollte daher die internen Vorkehrungen des Unternehmens für die Einhaltung der zoll- und steuerrechtlichen Vorschriften („Compliance“) bewerten. Eine funktionierende Compliance soll gerade individuelles Fehlverhalten im Unternehmen aufdecken können – die Überprüfung des Compliance-Systems durch die Zollbehörden kann somit – präventiv – Verstöße gegen zoll- und steuerrechtliche Vorschriften verhindern. Und das, ohne die persönlichen Steuerdaten der Mitarbeiter ungerechtfertigt zu erfragen.
Die Generalzolldirektion hat zwischenzeitlich reagiert und die Wirtschaftsbeteiligten aufgefordert, den abzufragenden Personenkreis individuell mit den Hauptzollämtern abzusprechen. Leider sind die Fragebögen selbst aber immer noch unklar gefasst, sodass viele Unternehmen sich in der Pflicht sehen, Daten zu übermitteln, für die keine Notwendigkeit besteht.
Wie geht es weiter?
Bis zur Entscheidung des EuGHs und bis zu einer endgültigen Entscheidung des Finanzgerichts können Unternehmen den vom Zoll eröffneten pragmatischen Weg bestreiten und den abzufragenden Personenkreis in Absprache mit den Hauptzollämtern einschränken. Wird die Mitteilung der Steuer-ID oder die Übersendung einer steuerlichen Bescheinigung seitens der betroffenen Personen verweigert, können Unternehmen laut Aussage der Zollverwaltung Alternativnachweise vorlegen: beispielsweise eine Ausweiskopie oder eine Mitteilung des Finanzamts, durch die der Zollverwaltung die Abfrage ermöglicht wird.
Wer die Privatsphäre seiner Mitarbeiter schützen möchte und die rein unternehmensbezogene Bewertung durchsetzen möchte, muss neuerlich Rechtsschutz bei den Finanzgerichten ersuchen. Dabei sollte ungeachtet des Vorlagebeschlusses an den EuGH geltend gemacht werden, dass die massenhafte Abfrage der Steuer-IDs für unternehmensbezogene Zwecke bereits aus datenschutz- und steuerrechtlichen Gründen unzulässig sein dürfte.
Quelle:
Rechtsanwalt Dr. Lothar Harings,
Partner der Sozietät Graf von Westphalen, Hamburg/Brüssel
Geschäftsführer der Hamburger Zollakademie, Hamburg
Der Artikel ist die aktualisierte, zusammengefasste Version eines Beitrages des Verfassers in Heft 3/2017 der Zeitschrift FOREIGN TRADE (mit freundlicher Genehmigung des Mendel Verlages).