Russland-Embargo: Altvertragsklausel erfasst nur die Erfüllung konkreter Leistungspflichten

Unter die Altvertragsklausel des § 77 Abs. 4 Nr. 2 Außenwirtschaftsverordnung (AWV) fällt nur die Erfüllung von konkreten Leistungspflichten, die vor dem Stichtag begründet wurden. Das hat das Finanzgericht Hamburg mit Urteil vom 5. Dezember 2017 entschieden (Az. VII R 7/18). Die Altvertragsklausel sei eng auszulegen, Rahmenverträge fallen nicht darunter. Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt.
Streit über die Reichweite von Altvertragsklauseln
Kern des Streits vor dem Finanzgericht Hamburg war die Lieferung von Waren, die unter das Russland-Embargo (§ 77 Abs. 1 Nr. 6 AWV, Art. 2 Abs. 3 des Beschlusses 2014/512/GASP vom 31. Juli 2014, Abl. Nr. L 229/13 vom 31. Juli 2014) fallen. Sie wurden aufgrund eines Vertrages geliefert, der vor dem 1. August 2014 geschlossen wurde und daher nach Ansicht des Klägers unter die Altvertragsklausel des § 77 Abs. 4 Nr. 2 AWV fällt. Der Vertrag legte eine Gesamtmenge und ein Gesamtpreis der zu liefernden Waren fest und statuierte eine Vertragslaufzeit. Menge und Lieferzeitpunkt der einzelnen Lieferung erfolgten je nach Mitteilung der Klägerin an ihren russischen Vertragspartner
Sukzessivliefervertrag oder Kaufvertrag?
Die Parteien verlängerten die Gesamtliefermenge und Laufzeit des Vertrags mehrfach durch sog. "Supplements". Noch vor dem 1. August 2014 legten die Parteien eine letzte Gesamtmenge und einen entsprechenden Gesamtpreis fest. Danach wurden nur noch Lieferdatum, Vertragslaufzeit, Art und Menge der Waren durch weitere Supplements angepasst. 2016 wurden schließlich mehrere Lieferungen durch die Zollbehörden mit Verweis auf das Russland-Embargo gestoppt. Die Klägerin ist der Ansicht, es handele sich bei dem Vertrag und den Supplements um einen langfristigen Kaufvertrag in Form eines Sukzessivliefervertrages, der unter die Altvertragsklausel des Russland-Embargos fällt. Die Zollbehörden widersprechen.
Nur konkrete Leistungspflichten werden von Altvertragsklausel erfasst
Das Finanzgericht Hamburg entschied nun, dass es sich bei dem Vertrag zwischen der Klägerin und dem russischen Lieferanten lediglich um einen Rahmenvertrag handelt, deren konkrete Lieferungen nach dem 1. August 2014 nicht von der Altvertragsklausel gedeckt sind. Es bestätigt damit seinen Beschluss vom 1. März 2017, im Rahmen dessen er der Klägerin bereits einstweiligen Rechtsschutz versagte. Nach Ansicht des Gerichts fällt die Erfüllung eines Rahmenvertrags, der vor dem Stichtag der Altvertragsklausel des Russland-Embargos geschlossen wurde, nicht unter die Altvertragsklausel, wenn die Verpflichtung zur Lieferung einer Ware von weiteren Handlungen der Vertragsparteien abhängt und diese Handlungen nach dem Stichtag erfolgten. Das Gericht legte den Vertrag dahingehend aus, dass konkrete Leistungspflichten erst entstanden, als die Lieferzeitpunkte und –mengen nach dem 1. August 2014 jeweils festgelegt wurden. Erfasst von der Altvertragsklausel seien aber nur solche konkreten Leistungspflichten, die vor dem Stichtag entstanden sind.
Schutzzweck der Altvertragsklausel erfordert enge Auslegung
Dabei argumentierte das Gericht mit einer engen Auslegung der Altvertragsklausel, die aus ihrem Schutzzweck folge: Entscheidend sei, dass eine Altvertragsklausel die beabsichtigte Beugefunktion eines Handelsembargos abschwächen könne und damit auch die außenpolitische Handlungsfähigkeit der EU beeinträchtigt wäre. Die Altvertragsklausel garantiere die Außenhandelsfreiheit daher nur, soweit es um die Erfüllung bereits eingegangener Verpflichtungen gehe.
Streit ist von grundsätzlicher Bedeutung
Gegen das Urteil legte die Klägerin Revision ein – es bleibt daher abzuwarten, inwiefern die Rechtsprechung hält. Dass die Frage von grundsätzlicher Bedeutung ist, zeigt die weite Verbreitung von Altvertragsklauseln: In fast allen Embargo-Vorschriften finden sich entsprechende Vorschriften. Außerdem ist es im Handelsverkehr nicht unüblich, langfristige Kaufverträge in Form von Sukzessivlieferverträgen abzuschließen, deren Laufzeiträume laufend angepasst werden. Die Hamburger Zollakademie hält Sie auf dem Laufenden.
mj